Trauen Männer anders?
Trauen Männer anders?
In Zuge unserer Palliativausbildung hat sich meine Kollegin mit diesem Thema befasst. Sie beschreibt in ihrer Arbeit Ihre persönlichen Erfahrungen als Krankenschwester. Sie sieht oft, dass Männer dazu neigen, sich durch ihre Trauer „zu denken“, sie lassen sich stärker von ihrem Intellekt leiten, ihre Trauerarbeit verläuft also mehr auf kognitiver als auf emotionaler Ebene. Verleugnung und Vermeidung sind bei Männern laut Fachliteratur häufiger zu finden. Das gilt im Besonderen für das Verdrängen und Verbergen der Trauer gegenüber der sozialen Umwelt. (vgl. Weiß 2006)
Trauer und Schmerz werden ganz individuell ausgedrückt. Die Trauer mit allen verunsichernden und bedrohlichen Gefühlsanteilen zuzulassen, bedeutet, die Kontrolle abzugeben. Bei aller Bedrohlichkeit birgt dies eine Chance in eine vertiefte Entwicklung zu kommen. Dazu braucht der betroffene Mann die innere Sicherheit und das Vertrauen: „ Ich bin ein Mann – auch in meiner Trauer.“ Diese Gewissheit ist notwendig, um die Trauer auch vor anderen zeigen zu können.
Männer trauern aktiv. Handeln und aktiv sein hat für Männer in der Trauer eine wichtige Bedeutung. Offensichtlich ist ein Verlust für Männer leichter zu ertragen, wenn sie selbst etwas tun können. Doch die Handlung muss bewusst mit dem Schmerz verbunden werden (Lothrop 2005, S.135), damit sie nicht zur Vermeidung wird oder in wilden Aktionismus abgleitet.
Nicht selten wird hierin auch eine Art „Flucht in die Arbeit“ gesehen. Dieser These sollte sich aus verschiedenen Blickwinkeln genähert und die realen und individuellen Lebensumstände betrachtet werden. Kann man von Flucht in die Arbeit sprechen, wenn ein Mann während der Erkrankung des Familienmitgliedes den nötigen Lebensunterhalt verdienen muss? Wenn ein Vater nach dem Tod seines Kindes gerade einmal für drei Tage krankgeschrieben wird? Kann das Reagieren auf reale Notwendigkeiten, das Geldverdienen usw. als Flucht oder Aktionismus interpretiert werden? (vgl. Melching,2013:6)
Verbunden sein und Anteilnahme anderer sind wichtig, können aber nicht immer aktiv eingefordert werden. Männer fühlen sich in ihrer Trauer oft einsam, brauchen dieses Alleinsein manchmal sogar. Sie wollen aber letztlich nicht allein bleiben, sondern sind auf Anteilnahme und Verbundenheit mit anderen Menschen angewiesen.
Diese Sichtweise auf Aspekte männlicher Trauer steht im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Vorurteil, Männer seien im emotionalen Bereich und damit auch im Hinblick auf ihren Umgang mit Trauer defizitäre Wesen. ( vgl. Schilles 2013: 64)
Grimmer, K. (2014): Männer trauen anders. Abschlussarbeit des Palliativlehrgangs Kardinal-König-Haus. Foto: Pixabay